Im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Wettbewerb unter den Versicherern sehr intensiv und das wirkt sich insgesamt positiv auf die Situation der Versicherungsnehmer:innen aus.
Vor allem bei den Aspekten verbesserte Vertragsbedingungen, Kostenvorteile durch Preisdruck sowie individuelle und vielfältige Angebote haben sich die Leistungen der Berufsunfähigkeitsversicherungen in den letzten Jahren teilweise erheblich verbessert und weiterentwickelt, um den neuen Bedürfnissen und den Veränderungen in der Arbeitswelt gerecht zu werden.
Viele Versicherer haben ihre Produkte und Bedingungen entsprechend angepasst, um eine noch umfassendere Absicherung zu bieten und flexibler auf die Herausforderungen von Berufsunfähigkeit zu reagieren.
Die drei bedeutendsten Leistungen
1. Abstrakte/konkrete Verweisung
Bei der abstrakten Verweisung kann der Versicherer die Zahlung verweigern, wenn er nachweist, dass Sie theoretisch in einem anderen Beruf arbeiten könnten, der Ihrer Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entspricht – auch wenn Sie diesen Beruf aktuell gar nicht ausüben.
Beispiel:
- Ein:e Chirurg:in verliert durch eine Handverletzung die Fähigkeit zu operieren.
- Mit abstrakter Verweisung könnte der Versicherer sagen: „Sie könnten doch als medizinische:r Gutachter:in arbeiten, das entspricht Ihrer Ausbildung.“
- Obwohl die versicherte Person diesen Job gar nicht ausübt, bekommt sie keine BU-Rente.
Der Verzicht auf eine konkrete Verweisung ist ein sehr spezieller, aber für bestimmte Fälle wichtiger Aspekt – allerdings ist er nicht so entscheidend wie der Verzicht auf die abstrakte Verweisung. Dennoch kann er für manche Personen in besonderen Situationen relevant sein.
Bei der konkreten Verweisung prüft der Versicherer, ob Sie nach Eintritt der Berufsunfähigkeitsversicherung bereits tatsächlich in einem anderen Beruf arbeiten, der Ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Wenn ja, kann die BU-Rente verweigert oder eingestellt werden, weil Sie sich durch die neue Tätigkeit bereits selbst versorgen.
Beispiel:
- Ein:e Flugbegleiter:in kann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fliegen (berufsunfähig).
- Sie/er arbeitet danach als Büroangestellte:r in der Verwaltung der Airline.
- Der Versicherer prüft, ob diese neue Tätigkeit der Ausbildung, Erfahrung und bisherigen sozialen Stellung entspricht. → Wenn ja, könnte die Rente verweigert werden.
2. AU-/Teilzeit-Klausel
Die AU-Klausel (Arbeitsunfähigkeits-Klausel) – auch bekannt als „Gelber-Schein-Regelung“ – ist in der Berufsunfähigkeitsversicherung ein äußerst wertvoller Zusatzbaustein. Sie verbessert den Zugang zur BU-Rente, besonders in der schwierigen Übergangsphase zwischen Krankheit und tatsächlicher Berufsunfähigkeit.
Mit einer AU-Klausel verpflichtet sich der Versicherer, auch dann BU-Leistungen zu zahlen, wenn:
- Sie mindestens 6 Monate ununterbrochen arbeitsunfähig (krankgeschrieben) sind,
- und dies entsprechend ärztlich bescheinigt ist.
Wichtig: Es muss noch kein formaler Nachweis über Berufsunfähigkeit erbracht werden. Der gelbe Schein reicht, um vorläufig oder sogar vollständig BU-Leistungen zu erhalten – je nach Vertragsgestaltung.
Beispiel:
Ein:e Selbstständige:r ist wegen eines Bandscheibenvorfalls 6 Monate arbeitsunfähig.
Ohne AU-Klausel: Muss den BU-Leistungsantrag stellen, Nachweise erbringen und mit Wartezeit rechnen.
Mit AU-Klausel: Reicht der gelbe Schein über 6 Monate > erhält BU-Rente sofort
Die Teilzeit-Klausel stellt sicher, dass Sie auch dann, wenn Sie nur noch bis zu 50% Ihrer ursprünglichen Arbeitszeit arbeiten, weiterhin als berufsunfähig gelten und die BU-Rente erhalten können. Auch wenn die Arbeitszeit reduziert wird, bleibt der Anspruch auf volle BU-Leistungen bestehen.
Dies bezieht sich auf Situationen wie:
- Pflege von Kindern (z.B. nach der Geburt)
- Pflege von nahen Angehörigen (z.B. einem erkrankten Elternteil oder Ehepartnern)
Beispiel:
Szenario ohne Teilzeit-Klausel:
- Sie arbeiten ursprünglich Vollzeit (z.B. 40 Stunden pro Woche).
- Sie reduzieren Ihre Arbeitszeit auf 50% (20 Stunden pro Woche).
- Ohne eine Teilzeit-Klausel könnte der Versicherer entscheiden, dass Sie nun nur noch teilweise berufsunfähig sind und daher keine volle BU-Rente erhalten würden. Es könnte zu einer Kürzung oder Ablehnung der Rente kommen.
Szenario mit Teilzeit-Klausel:
- Sie arbeiten ebenfalls 50% Ihrer ursprünglichen Arbeitszeit.
- Mit einer Teilzeit-Klausel im Vertrag bleibt der Anspruch auf die volle BU-Rente auch bei dieser Teilzeittätigkeit bestehen, da die Klausel eine Reduzierung der Arbeitszeit bis zu 50% aus familiären oder gesundheitlichen Gründen erlaubt, ohne den BU-Status zu verlieren.
3. Nachversicherungsoptionen
Die Nachversicherungsoptionen erlauben es Ihnen, die Versicherungssumme Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung zu einem späteren Zeitpunkt zu erhöhen, ohne dass Sie dafür eine erneute Gesundheitsprüfung durchlaufen müssen. Die Erhöhung kann meist in festgelegten Zeiträumen und unter bestimmten Umständen erfolgen.
Hierbei wird nach anlassbezogenen und anlasslosen Nachversicherungsoptionen unterschieden. Sie können den Schutz so anpassen, dass dieser immer mit den steigenden finanziellen Verpflichtungen oder Veränderungen in der Lebenssituation übereinstimmt.
Anlassbezogene Nachversicherungsoption (meist innerhalb von 6–12 Monaten):
- Heirat oder Partnerschaft
- Geburt eines Kindes
- Beruflicher Aufstieg oder Karrierewechsel
- Erwerb von Eigenheimen oder größeren finanziellen Verpflichtungen
- Erhöhung des Einkommens (z.B. durch Beförderung oder Gehaltserhöhung)
- etc.
Anlasslose Nachversicherungsoption (z.B. innerhalb der ersten fünf Jahre):
Eine anlasslose Nachversicherungsoption ermöglicht es Ihnen, den Versicherungsschutz zu erhöhen, ohne dass ein spezielles Ereignis vorliegt, und ohne dass eine Begründung oder ein Anlass erforderlich ist. Die Erhöhung kann in diesem Fall zu bestimmten Zeitpunkten und ohne Gesundheitsprüfung vorgenommen werden.
Warum ist die präzise Erfassung des Gesundheitszustandes so wichtig?
Die detaillierte und vollumfängliche Angabe des Gesundheitszustandes bei der Antragstellung einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist absolut entscheidend und kann weitreichende Auswirkungen auf die Gültigkeit und den Leistungsumfang Ihrer Versicherung haben. Es ist aus mehreren Gründen wichtig, dass Sie alle relevanten Informationen zu Ihrem Gesundheitszustand offenlegen.
Eine der wichtigsten Folgen einer unvollständigen oder falschen Angabe des Gesundheitszustandes ist, dass der Versicherer im Falle einer Berufsunfähigkeit die Leistung verweigern oder kürzen kann. Wenn der Versicherer bei der Antragstellung nicht alle relevanten Informationen über Ihren Gesundheitszustand erhält und später erfährt, dass diese Informationen bewusst oder versehentlich nicht angegeben wurden, hat er das Recht, den Vertrag zu kündigen oder die Leistungen zu verweigern.
Beispiel:
Sie leiden z.B. schon seit Jahren unter chronischen Rückenschmerzen und geben dies bei der Antragstellung nicht korrekt an. Jahre später werden Sie aufgrund von Rückenproblemen berufsunfähig. Der Versicherer prüft Ihren Fall und stellt fest, dass die Rückenschmerzen in Ihrer Anamnese fehlen. Der Versicherer könnte die Leistung verweigern, weil er den Eindruck gewinnt, dass Sie den Gesundheitszustand absichtlich verschwiegen haben, um günstigere Konditionen zu erhalten.
Vermeidung von Risikozuschlägen oder Ausschlüssen
Bei der Antragstellung prüft der Versicherer Ihre Gesundheitsgeschichte, um das Versicherungsrisiko korrekt zu bewerten. Wenn der Versicherer feststellt, dass Sie eine Vorerkrankung oder ein Risiko haben, das die Wahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeit erhöhen könnte, kann er:
- Risikozuschläge auf die monatliche Prämie erheben,
- Bestimmte Vorerkrankungen oder Risiken von der Leistung ausschließen.
Eine vollständige und genaue Angabe Ihres Gesundheitszustandes sorgt dafür, dass der Versicherer die Risiken fair bewerten kann und Sie keine unangemessenen Prämienzuschläge oder Ausschlüsse hinnehmen müssen.
Beispiel:
Sie haben Asthma und geben dies im Antrag an. Der Versicherer berechnet daraufhin einen kleinen Risikozuschlag, aber Sie sind fair und korrekt abgesichert, wenn Ihr Asthma in Zukunft Auswirkungen auf Ihre Berufsfähigkeit hat.
Geben Sie die Vorerkrankung nicht an, und der Versicherer stellt dies später fest, wird der Zuschlag möglicherweise deutlich höher ausfallen oder sogar ein Ausschluss auf Atemwegserkrankungen im Vertrag aufgenommen.
Fazit
Tipp: Gleichen Sie Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung regelmäßig mit Ihrer bestehenden Lebenssituation sowie dem Versicherungsmarkt ab. Greifen Sie bei Unsicherheiten auf eine professionelle Versicherungsberatung zurück, die Ihre Situation unabhängig betrachtet und einen aktuellen Überblick über die Leistungen verschiedener Versicherer hat.